Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung am 14.09.2018 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Mit starken Grünen für ein solidarisch, gerechtes und nachhaltiges Europa |
Antragsteller*in: | LAG Europa, Landesvorstand, Henrike Müller (dort beschlossen am: 30.08.2018) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 01.09.2018, 12:43 |
A2: Mit starken Grünen für ein solidarisch, gerechtes und nachhaltiges Europa
Antragstext
Die Europäische Integration bietet Menschen im Westen seit über 70 Jahren und im
Osten seit fast 30 Jahren echten Frieden und Freiheit! Wir Grüne wissen diese
herausragende Leistung der Europäischen Union zu schätzen! Wir haben nicht
vergessen, dass der Startpunkt des europäischen Einigungsprozesses auf dem
Schlachtfeld zweier Weltkriege und der Millionen Toten des Holocaust liegt. Wir
haben nicht vergessen, dass die Ost-Erweiterung des Einigungsprozesses in den
schmerzhaften Erfahrungen mit den kommunistischen Diktaturen motiviert liegt.
Wir haben die Euphorie darüber nicht vergessen, dass die europäischen
Nationalstaaten gelernt haben Konflikte am Verhandlungstisch zu lösen! Wir sind
deshalb der festen Überzeugung, dass die europäischen Institutionen der einzig
richtige Ort sind, um Konflikte zu lösen, auch und insbesondere wenn es
schwierig und das gegenseitige Verständnis nur schwer aufzubringen ist.
Wir sind überzeugt, dass wir Frieden und Freiheit auf unserem Kontinent nur
gemeinsam in europäischer Zusammenhalt erhalten können. Wir sind überzeugt, es
ist Zeit Freiheit und Demokratie zu schützen und zu stärken. Die Europäische
Union ist für uns Grüne ein von fundamentalen Werten geprägtes Einigungsprojekt.
Die EU steht für Menschenrechte, für Gleichberechtigung, für Solidarität, für
Rechtsstaatlichkeit und für Demokratie. Wir wollen dieses von freiheitlichen
Werten geprägte Europa zusammenhalten!
Wir stehen zu unseren Werten und unserer Verantwortung
Mit großer Sorge sehen wir das kontinuierliche Erstarken rechtsnationaler,
rechtsextreme und autoritärer Kräfte, die die Europäische Union als politisches
Projekt und europäische Werte als Grundlage von liberalen Demokratien offen
bekämpfen. Wir lehnen ebenfalls die Politik der nationalkonservativen
Regierungen ab, denn sie geprägt von der Diskriminierung ethnischer
Minderheiten, Einschränkungen der Pressefreiheit, von Frauenrechten und durch
die Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien. Wir halten in diesen Fällen die
Einleitung des Rechtsstaatsverfahrens für richtig und geboten. Angesichts der
Zunahme von nationalen Politiken, die den EU-Grundrechten widersprechen, fordern
wir wirksamere Konsequenzen bei Demokratieabbau in den Mitgliedsstaaten. Wenn
die Gewaltenteilung aufgehoben, Pressefreiheit und -pluralität beschränkt oder
Minderheiten systematisch diskriminiert werden, dann sollten europäische Gelder
in Zukunft nicht mehr an die nationalen Regierungen, sondern direkt an die
Kommunen und Regionen vergeben werden, die sich weiterhin für europäische
Rechtsstaatsprinzipien einsetzen.
International stehen wir vor dramatischen Herausforderungen. Kriege und
Konflikte haben sich in der Nachbarschaft der Europäischen Union verschärft. Die
Politik der neuen Autokraten von Trump, über Erdogan bis Putin stellt die EU vor
neue Aufgaben, die gemeinsames Handeln dringend erforderlich machen. Wir wollen,
dass die EU mehr Verantwortung für die Gestaltung einer friedlichen und
kooperativen Weltordnung übernimmt. Nur wenn wir enger und koordinierter
zusammenarbeiten, auch in Fragen der Verteidigung, können wir unseren Teil dazu
beitragen die Welt ein Stück sicherer zu machen. Wir Grüne stehen für die
Stärkung des internationalen Rechts, der multilaterale Politik und für eine
wertegeleitete Außen- und Sicherheitspolitik, die fest in den Vereinten Nationen
und der Europäischen Union verankert und in die NATO eingebettet ist.
Auch in der nahen Nachbarschaft muss die EU ihrer Verantwortung gerecht werden.
Die europäischen Grundrechte müssen sich in der Außenpolitik widerspiegeln. Wir
schlagen deshalb vor, dass die EU ihre Fähigkeiten in der gemeinsamen
Außenpolitik ausbaut und die Beteiligung des Europäischen Parlaments ausgebaut
wird. Außerdem fordern wir eine faire Entwicklungs- und Handelspolitik mit den
Ländern des globalen Südens. Dazu müssen die Freihandelsabkommen mit sogenannten
Entwicklungsländern (EPAs) evaluiert und wenn nötig neu verhandelt werden. Die
positiven Ergebnisse der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit dürfen nicht von
den EPAs konterkariert werden.
Die ursprünglich ambitionierte Mittelmeerpolitik der Europäischen Union
erschöpft sich inzwischen in Grenzschutzmanagement und in bilateralen Abkommen
zur Verhinderung von Migration. Die geplante Verlagerung von Asylverfahren in
Drittstaaten, Auffanglager in Libyen und die Ausweitung der europäischen Liste
der sicheren Herkunftsstaaten lehnen wir ab. Wir fordern eine Rückkehr zu
nachhaltiger Nachbarschaftspolitik, die nicht die Abwehr von Flüchtlingen über
die Menschenrechte stellt. Wir betonen: das Recht auf Asyl ist ein
Menschenrecht! Wir treten für eine europäisch koordinierte Seenotrettung von
Geflüchteten ein und lehnen die Kriminalisierung der privaten
Hilfsorganisationen ab. Das Sterben im Mittelmeer muss ein Ende haben!
Ultimatives Ziel gemeinsamer EU-Außenpolitik muss die Bekämpfung von
Fluchtursachen in den Herkunftsländern sein. Wir brauchen dringend kontrollierte
und sichere Wege für Flucht und koordinierte Einwanderung in die EU. Wir fordern
weiterhin eine solidarische Verteilung von Geflüchteten unter den
Mitgliedsstaaten der EU.
Wir setzen weiter auf Solidarität und kämpfen gegen nationalen Protektionismus
Frieden, Freiheit und Wohlstand - das sind die Gründungsversprechen der
europäischen Einigung. Um wirtschaftliche Ungleichgewichte in Europa
auszugleichen, sind – vor allem nach den sozialen Spannungen in Folge der
Finanzkrise – noch viele Anstrengungen nötig. Einen Wettlauf nach unten, um sich
vermeintliche Wettbewerbsvorteile zu sichern, sei es bei den Steuern, bei den
Löhnen oder beim Umweltschutz, lehnen wir ab. Auch hier sind wir überzeugt, es
geht nur gemeinsam! Wir wollen daher europäische Investitionen anschieben, die
soziale Säule der EU stärken und einen europäischen Rahmen für existenzsichernde
Mindestlöhne in den Mitgliedsstaaten schaffen. Die Vorschläge für eine
europäische Arbeitslosenversicherung halten wir für geeignet, um die soziale
Absicherung der Menschen in Europa zu fördern. Wir wollen mehr europäische
Unterstützung für die Ausbildung und den Übergang ins Berufsleben gegen die hohe
Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern der EU.
Zu einem funktionierenden Binnenmarkt gehört beim heutigen Integrationstand eine
demokratische und solidarische Eurozone. Wir wollen den Euro endlich krisenfest
aufstellen. Das heißt, die Bankenunion mit einem System der Einlagensicherung zu
vollenden, eine Abfederung von asymmetrischen wirtschaftlichen Schocks zu
ermöglichen, eine Demokratisierung des Europäischen Rettungsmechanismus durch
eine Überführung in einen europäischen Währungsfonds unter parlamentarischer
Kontrolle des EP.
Wir sind überzeugt, nationaler Protektionismus läßt sich am besten mit
grenzüberschreitendem Austausch bekämpfen. Ein bewährter Weg war und ist dabei
der transnationale Austausch über Jugend- und Bildungsprogramme. Insbesondere
Hochschulen können wichtige Europäisierungsprozesse vorantreiben. Das haben die
bisherigen Erfolge des EU-Mobilitätsprogramms Erasmus+ und die europäischen
Hochschul- und Forschungskooperationen überzeugend gezeigt. Wir wollen allen
jungen Menschen die Möglichkeit bieten Europa kennen- und lieben zu lernen. Wir
begrüßen daher die Vorschläge der Kommission zur Aufstockung und Ausweitung des
Erasmus-Programms, unterstützen den Europäischen Solidaritätsdienst, die
europäischen Freiwilligendienste und die Etablierung von „Europäischen
Universitäten“ als zentrale Elemente für die Fortentwicklung des europäischen
Einigungsprozesses. Insbesondere die „Europäischen Universitäten“ könnten die
notwendige Struktur bereitstellen, um die großen europäischen Herausforderungen,
wie Lösungen zur Energieversorgung, Fragen zum Umweltschutz und der Erreichung
der Klimaziele, besser zu bewältigen.
Europa begrünen mit Innovation und Kreativität
Klimaschutz ist die zentrale und gemeinsame Aufgabe aller in der Europäischen
Union! Die EU muss ihre Vorreiterrolle im weltweiten Klimaschutz einnehmen.
Möglichkeiten einer ambitionierten EU-Klimapolitik gibt es genug: Ausstieg aus
der Kohle, Ausweitung des Emissionshandels und Verteuerung der Zertifikate,
Festlegung strengerer Abgasnormen, Förderung erneuerbarer Energien und
Nutzungsmöglichkeiten von Fernwärme, Regelungen zur Vermeidung von Plastik,
Bedingungen für eine gelingende Kreislaufwirtschaft, Ausbau des Schienenverkehrs
und die Wiedereinführung von europäischen Nachtzügen von Amsterdam über Danzig
nach Ljubljana, statt der Subventionierung von Billigflügen!
Als Küstenregion liegt der Klimaschutz in unserem ureigenen Interesse. Wir
schaffen daher regionale Kooperationen mit anderen Nordseeregionen zur
Müllbekämpfung, zum Ausbau erneuerbarer Energien (Offshore-Windpark) und dem
Ausbau nachhaltiger, grüner Häfen. Die Umsetzung der Pariser Klimaschutzziele
ist uns besonders wichtig. Bremerhaven soll noch vor Bremen CO2-neutrale Stadt
werden. Bremen ist seit 1992 aktives Mitglied von „Klima- Bündnis/Climate
Alliance e.V.“, der zentralen Stimme von 1.700 Kommunen in Europa, die
Entwicklung und Umsetzung alternativer Klimaschutz- und Anpassungs-Strategien
auf lokaler/regionaler, europäischer und internationaler Ebene fördern. Den
Erfahrungsaustausch wollen wir intensiver nutzen, um den Klimaschutz in Bremen
und Bremerhaven noch stärker als bisher voranzubringen.
Um unseren Kontinent in eine gesündere Zukunft zu schicken, brauchen wir
Innovationen und ambitionierte Forschung für grüne Energie, grüne Mobilität und
grünes Wirtschaften. Wir wollen daher, dass das Nachfolgeprogramm des EU-
Forschungsprogramm Horizon 2020 die europäische Energiewende als Schwerpunkt in
die Förderlinien aufnimmt.
Gute Politik braucht ausreichende Finanzen
Um die vielen anstehenden Aufgaben zu bewältigen muss der EU-Haushalt besser
ausgestattet werden. Um die Einnahmen zu steigern, wollen wir, dass die EU neben
der Finanztransaktionssteuer weitere Möglichkeiten erhält, eigene Steuern und
Abgaben zu erheben: zum Beispiel eine Plastiksteuer, eine CO2-Steuer oder die
Besteuerung von globalen Digitalunternehmen.
Unser Bundesland, insbesondere Bremerhaven, profitiert in hohem Maße von der
Europäischen Förderpolitik, gerade in den Bereichen der Beschäftigungs- und
Forschungsförderung. Die europäische Förderung hat u.a. das Ziel, den sozialen
Zusammenhalt in Europa zu sichern. Dies befördert gerade im Bremer Westen, im
Bremer Norden und Bremerhaven wichtige beschäftigungspolitische Initiativen. Wir
erwarten, dass auch weiterhin alle Regionen der EU von diesen Fördermitteln
profitieren. Dabei wollen wir die für Bremen und Bremerhaven zur Verfügung
stehenden Mittel zukünftig zielgerichteter einsetzen sowie effektiver und
transparenter verwalten.
Der neue mehrjährige Finanzrahmen (MFR) sollte den Blick auf die aktuellen
Herausforderungen richten und die Weichen für die Zukunft unter Einhaltung der
Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen stellen: mit
sauberen Energieträgern, für verantwortungsvollen Konsum und nachhaltige
Produktion, für gute Arbeitsbedingungen, nachhaltiges Wachstum und für den
Klimaschutz.
Wir bewegen Europa in Bremen
Grenzüberschreitende Kooperationen und Beziehungspflege gehören zum
Selbstverständnis unserer Städte Bremen und Bremerhaven. Das zeigen nicht nur
die weit verzweigten Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, sondern auch die
Vielzahl von intensiv gepflegten Städtepartnerschaften. Diese wichtigen
Beziehungen, viele geknüpft noch in „kalten“ Zeiten, wollen wir weiter intensiv
pflegen und ausbauen. Wir unterstützen dabei insbesondere zivilgesellschaftliche
Initiativen wie z.B. die Queer Cities Initiative des CSD Bremen mit dem Verein
Tolerado in Gdansk. Wir sind überzeugt diese Initiativen lassen Europa leben und
lieben! Wir wissen, wir werden die Idee der europäischen Einigung nur
erfolgreich fortführen können, wenn sich möglichst viele Menschen für sie
einsetzen.
Deshalb fördern wir die vielen europaspezifischen Vereine, Verbände und
Organisationen in Bremen und Bremerhaven, die Europa erfahrbar machen und die
mitunter schwierigen EU-Entscheidungsfindungen unermüdlich erklären und
verständlich machen. Um es den Bürgerinnen und Bürgern zu erleichtern, mehr
darüber zu erfahren, wer an politischen Entscheidungen wie mitwirkt, müssen
europäische Entscheidungsfindungen transparenter gestaltet werden. Wir
unterstützen daher die Forderung der europäischen Ombudsfrau das
Abstimmungsverhalten im Ministerrat zu veröffentlichen. Nur so wird klar, wenn
Regierungsmitglieder im eigenen Land das eine behaupten und das andere in
Brüssel abstimmen.
Wir wollen starke Grüne in einem solidarischen Europa!
Im nächsten Jahr kommt es auf uns Grüne an! Im Frühjahr 2019 stehen die Wahlen
zum Europäischen Parlament an. Wir wollen andere Mehrheitsverhältnisse im
Europaparlament. Wir wollen weniger Rechtspopulisten und Rechtsextreme im
Europäischen Parlament.
Wir wollen starke Grüne im Europäischen Parlament als starke Stimme für
Menschenrechte, für Gleichberechtigung, für Solidarität, für Rechtsstaatlichkeit
und für Demokratie.
Dafür werden wir Grüne jetzt gemeinsam auf allen Ebenen kämpfen.
Begründung
Erfolgt mündlich.